Inhalt
Von der pr¨anatalen Psychotherapie her ist bekannt, dass das Seelenleben seit allem Anfang an vorhanden ist, seit der Zeit der Zeugung. Andererseits leben wir in einer in Bezug auf den Umgang mit der fruhen Mutter-Kind-Beziehung kranken ¨ Gesellschaft: Mutter und Baby werden nach der Geburt in allen Hochkulturen getrennt und dabei gilt: Je hoher die Kultur desto radikaler die Trennung – als emotionale Anpas- ¨ sung an das entfremdete Leben in den St¨adten. Somit weckt ein Baby mit seinem Weinen ganz automatisch die eigenen ungeweinten Tr¨anen, die eigenen fruhen Traumatisierungen ¨ von beiden Eltern. Verst¨andlicherweise wollen sie ihr Kind sofort zum Schweigen bringen, weil sonst das eigene „innere verletzte Kind“ zu stark geweckt wird. Umgekehrt hat ein Baby nur uber seine Tr ¨ ¨anen die Moglichkeit „seine Geschichte zu erz ¨ ¨ahlen“ und d. h. seine fruhen Verletzungen auszudr ¨ ucken. Hier entsteht ein unheilvoller Teufelskreis, wodurch ¨ Eltern von ihrem Baby entfremdet werden und umgekehrt. Wenn mit einem Kleinkind therapeutisch gearbeitet wird, ist es wichtig, nicht nur das Baby zu verstehen, sondern genau so empathisch seine Eltern emotional zu begleiten, denn ihre alten Verletzungen werden nie im Leben so heftig geweckt wie durch die Existenz eines Kindes, wie durch den Beginn einer Schwangerschaft. Schon in dieser fruhen Zeit k ¨ onnen sie sich emotional verschließen ¨ oder mussen es vielleicht, weil ihre eigenen Traumatisierungen so heftig, nicht aushaltbar ¨ sind. Wiederum wissen wir aus Erfahrung: Eltern konnen verdr ¨ ¨angen – ein Kind im Bauch seiner Mutter kann dies nicht. Es erlebt das Elend beider Eltern ohne Einschr¨ankungen. Hier liegt auch die vorgeburtliche Quelle all seiner fruhesten Verletzungen, die Ursache ¨ seines sp¨ateren Weinens. Wenn in einer geborgenen Atmosph¨are einem Baby der Raum eroffnet wird, seinen Schmerz aus Zeugung, Schwangerschaft und Geburt auszudr ¨ ucken, ¨ ist dies gleichzeitig die großte Heilungschance f ¨ ur das „innere verletzte Kind“ beider El- ¨ tern. Wichtig ist, dass sie mit ihrer Aufmerksamkeit nicht bei ihrem Baby sind, sondern die Aufmerksamkeit auf ihre eigenen, zuruckgehaltenen, verdr ¨ ¨angten oder gar abgespaltenen Emotionen richten. Wenn Eltern so den Zugang zur eigenen Verletzung finden und ihre heftigen Gefuhle fließen lassen, ist ihr Baby meist friedlich auf dem K ¨ orper der Mutter ¨ oder des Vaters eingeschlafen: Ein Heilungsprozess hat begonnen.